
Gemeinsames Projekt im Kampf gegen Neophyten
Joseph Weibel
Im Berner Seeland haben 13 Gemeinden letztes Jahr eine gemeinsames Projekt lanciert, um gegen invasive Neophyten vorzugehen. Dies als Antwort auf das vom Bundesrat erlassene Verkaufsverbot von etwa 30 neuen Pflanzenarten, gültig seit dem 1. September letzten Jahres.
Hinter dem Projekt verbirgt sich ein Neophytensack für die Entsorgung von invasiven Pflanzen, denn Neophyten können nicht mit den übrigen Gartenabfällen kompostiert werden. Diese können in den 13 Gemeinden kostenlos bezogen werden. Neophyten sind nicht nur ein Problem für Privatgärten und öffentliche Anlagen, sondern auch für Waldbesitzer und die Landwirtschaft. Kommunaldienste hat sich in der knapp 6000 Einwohner zählenden Gemeinde Lengnau (BE) über diese Aktion informiert.
Der falsche Lorbeer wächst rasch
Auf einem kurzen Waldspaziergang zeigt Andrea Spahr, Forstverwalterin der Burgergemeinde Lengnau, die gut sichtbaren Neophyten, die sich ohne Bekämpfung unaufhaltsam ausbreiten und vermehren würden. Links und rechts des Waldweges oberhalb des Sitzes der Burgergemeinde wachsen Sträucher des Falschen Lorbeers – ein klassischer Neophyt, der in vielen privaten Gärten zu finden ist. Blüten und Samen werden durch Wind und Vögel in den Wald «getragen». Lässt man die unscheinbaren Stängel weiter wachsen, breitet sich der Falsche Lorbeer rasch aus und wurzelt tief im Boden. Daneben findet man im Wald auch den Japanischen Staudenknöterich, das Einjährige Berufkraut oder die Goldraute. «Unweit von hier entfernt», so Andrea Spahr, «wächst die marokkanische Minze auf der ganzen Fläche».
Marokkanische Minze riecht gut, aber…
Die Minze riecht stark und ganz gut, «aber sie verdrängt, wie andere Neophyten auch, die einheimische Flora». Werden einheimische Pflanzen verbannt, verliert die Tierwelt ihre angestammte Nahrungsgrundlage. So gerät das Ökosystem immer mehr aus den Fugen. Försterin Andrea Spahr erklärt die 10er-Regel: «Von 1000 gebietsfremden Arten, die zu uns kommen, haben 100 eine begrenzte Überlebenschance, davon etablieren sich zehn dauerhaft und nur eine Art hat invasives Potenzial.» Ist das Problem damit nicht vernachlässigbar? «Eben nicht», sagt Andrea Spahr, «denn die überlebenden Neophyten werden durch ihre rasche und flächendeckende Ausbreitung ohne Bekämpfung zu einem grossen Problem mit unabsehbaren Folgen.» Wie geht die Bürgergemeinde gegen Neophyten vor? «Wir profitieren in Teilen unseres 300 Hektaren grossen Waldgebietes von Freiwilligeneinsätzen.
Liste von 11 auf 30 Pflanzenarten erweitert
Über 600 gebietsfremde Pflanzenarten sind in der Schweiz verwildert oder eingebürgert, was einem Fünftel der Schweizer Flora entspricht. Rund 50 Arten sind problematisch und gelten als invasiv. Bisher sind nur elf invasive Neophyten in der Schweiz verboten, d.h. sie dürfen weder verkauft noch angepflanzt werden. Dazu gehören bekannte Beispiele wie das Drüsige Springkraut, die Amerikanische Goldrute, der Riesenbärenklau, die Ambrosia, der Essigbaum oder der Japanische Staudenknöterich, den auch Andrea Spahr erwähnt. Nun hat der Bundesrat die Liste der Pflanzenarten erweitert. Pflanzen, die sich bereits in Gärten befinden, sind von dem im letzten Jahr erlassenen Verbot nicht betroffen. Das gilt auch für das «Wahrzeichen» des Tessins, die chinesische Hanfpalme.
«Es ist eine Daueraufgabe»
Auch die Landwirtschaft kämpft mit der Ausbreitung von Neophyten auf Weide- und Ackerland. Mischa Scherrer, der seit 14 Jahren den Biobetrieb mit Milchwirtschaft und Ackerbau im Eichholz in Lengnau bewirtschaftet, kennt das Problem. «Wir bekämpfen Neophyten frühzeitig und kontinuierlich. Das ist eine Daueraufgabe, die viel Geduld und Ausdauer erfordert». Problematisch für die Nutztiere kann zum Beispiel das Jakobskreuzkraut werden, wenn es mit dem Heu ins Futter gelangt und den Tieren nicht sonderlich abträglich ist. Ein Biobetrieb wie der der Familie Scherrer verwendet Heu von extensiv bewirtschafteten Wiesen und Weiden, die nicht gedüngt und erst spät gemäht werden. Mischa Scherrer kauft einen kleinen Teil des Extensivheus zu. «Aber ich schaue mir die Wiesen vorher genau an».
Mit Plackenstecher an die Wurzel
Vor allem jetzt beginnt die intensive Zeit der Neophytenbekämpfung. Neben dem Jakobskreuzkraut findet er auf seinen Ackerwegrändern auch Ambrosia, das einjährige Berufskraut und das Kanadische Berufskraut. Ausgerüstet mit Plackenstechern rücken er und seine Lehrlinge aus, um die invasiven Pflanzen buchstäblich an der Wurzel zu bekämpfen. «Die Neophyten sind hartnäckig, es dauert meist zwei bis drei Jahre, bis man Ruhe hat.» Natürlich: Er hat sich auch schon gefragt, wie die Neophyten zu uns kommen. «Vieles wird auf verschiedenen Wegen eingeschleppt, vielleicht sind auch die wärmer gewordenen Sommer ein idealer Nährboden für diese schädlichen Pflanzen.» Das Problem werde heute sichtbarer wahrgenommen. Eine Zunahme der Neophyten könne er aber nicht feststellen.
Ihm scheint indes wichtig, dass der Kampf gegen Neophyten auf allen Ebenen betrieben wird: von den Waldbesitzern, den Privathaushalte, Landwirtschaft und auch von der öffentlichen Hand und der Industrie bei der Bewirtschaftung von Strassen und grünen Anrainerflächen. Besonders für Gartenliebhaber sei es manchmal nicht einfach, dass wohlriechende und schöne Pflanzen zu einem Problem werden können.
Fotos: Erwin Jörg, www.neophyt.ch
Verbotene Neophyten Götterbaum, Ambrosien, Traubenkräuter, Syrische Seidenpflanze, Karolina-Haarnixe, Rundblättriger Baumwürger, Nadelkraut, Wasserpest, Asiatische Knöteriche, Riesenbärenklau, Japanischer Hopfen, Grosser Wassernabel, Drüsiges Springkraut, Schmalrohr, Afrikanische Wasserpest, Südamerikanische Heusenkräuter, Tausendblätter, Asiatische Knöteriche, Kopoubohne, Kudzu, Essigbaum, Lästiger Schwimmfarn, Schmalblättriges Greiskraut, Haargurke, Amerikanische Goldruten, Kletternder Giftsumach, Falsche Mimose, Bastardindigo, Verlotscher Beifuss, Lanzettblättrige Aster, Neubelgische Aster, Tradescants Aster, Weiden-Aster, Gescheckte Aster, Grosse Algenfarn, Papier Maulbeerbaum, Japanischer Papierbaum, Sommerflieder, Glattes Zackenschötchen, Seidiger Hornstrauch, Korallenstrauch, Stachelgurke, Einjähriges Berufskraut, Geissraute, Gestreiftes Süssgras, Henrys Geissblatt, Japanisches Geissblatt, Vielblättrige Lupine, Gartenlupine, Wasserfenchel, Japanische Petersilie, Fünffingerige, gewöhnliche Jungfernrebe, Wilder Wein, Blauglockenbaum, Afrikanisches Lampenputzergras, Gold-Bambus, Kirschlorbeer, Herbst-Traubenkirsche, Japanischer Bambus, Armenische Brombeere, Rotborstige Himbeere, Breitblättriges Pfeilkraut, Kaukasus-Fettkraut, Ausläuferbidendes Fettkraut, chinesische Hanfpalme. (Quelle: Jardin Suisse) |