
Auf einer Fläche von 130 000 Quadratmetern werden in modernen Räumlichkeiten Lernende und Baufachleute praxisnah auf die stetig wachsenden Anforderungen der Baubranche ausgebildet und weitergebildet. Die Stiftung ist seit über 50 Jahren die führende Adresse für die Aus- und Weiterbildung von Baufachleuten in der Schweiz.
Joseph Weibel
Am Campus Sursee wird die Baubranche Meter für Meter erlebbar. In der grossen Bau- und Ausbildungsarena stehen unter anderem fünf Baukräne, Pneu- und Raupenbagger, Radlader, Arbeits- und Scherenhebebühnen, Gabelstapler und Planierraupen bereit. Das ist Praxis pur. Die Theorie findet nicht nur in Schulzimmern, sondern auch in praxisnahen Gebäuden statt. Diese heissen: Ausbildungsgebäude 23, Ausbildungshalle 25, Umwelthalle, Minergiehaus und Kransimulator. Der Campus Sursee ist ein eindrückliches Beispiel dafür, wie sich eine Branche für die Zukunft rüstet. Eine Branche, die über 20 Milliarden Franken Umsatz generiert, über 90 000 Personen in 48 00 Unternehmen beschäftigt und jährlich jede zehnte angehende Berufsfrau bzw. jeden zehnten Berufsmann in die Baubranche führt.
Eine beeindruckende Vielfalt
Seit viereinhalb Jahren wird diese stetig wachsende Ausbildungsstätte von einer Frau geleitet. Die gebürtige Obwaldnerin Andrea Ming hat im Frühling 2021 die Direktion des Campus Sursee übernommen. Zuvor war sie neun Jahre lang Leiterin der Direktion Klubschulen und Freizeitanlagen beim Migros-Genossenschafts-Bund. Der Campus Sursee ist in erster Linie ein Aus- und Weiterbildungsbetrieb der Baubranche, aber nicht nur. Die beeindruckende Infrastruktur bietet Platz für Seminare und Veranstaltungen. Zum Campus gehört auch die Hotellerie mit jährlich 120 000 Übernachtungen sowie die Gastronomie mit 400 000 Mahlzeiten im Jahr. Seit 2019 besteht zudem mit der neu eröffneten Sportarena das grösste Schwimm- und Sportzentrum der Zentralschweiz. Die Schwimmhalle verfügt über ein 50-Meter-Olympiabecken, einen Hartplatz und eine Dreifachturnhalle, die zu einem grossen Teil von Spitzen- und Breitensportlern aus dem Bereich Wassersport genutzt wird.
Campus in der Deutschschweiz verankert
Die Direktorin ist eidgenössisch diplomierte Sportlehrerin und hat selbst Leistungssport betrieben. Als Pädagogin weiss sie aber auch ganz genau, dass der Bildungsbetrieb am Campus Sursee immer erste Priorität hat. „Das war von der ersten Stunde an so und das wird sich in Zukunft auch nicht ändern”, sagt sie bestimmt. Und trotzdem gibt es noch Luft nach oben. Damit meint sie nicht nur die Auslastung der Kurse und Seminare. Der Campus ist vor allem in der Deutschschweiz verankert.
Und da kommt Thomas Stocker, Geschäftsführer der Bildung, ins Spiel. Er erlebt die starke Entwicklung dieser Ausbildungsstätte im Luzerner Mittelland seit 17 Jahren. Der Campus ist nicht nur in der höheren Berufsbildung ein Vorreiter, sondern auch erste Wahl in der Grundbildung von angehenden Berufsleuten, welche von den Maurerlehrhallen Sursee und der Berufsschule Verkehrswegbauer geführt werden. Hier werden jährlich über 1000 Lernende in verschiedenen Berufen der Bauwirtschaft ausgebildet. Insgesamt beschäftigt der Campus für die Aus- und Weiterbildung nicht nur eine grosse Anzahl Lehrpersonen, sondern auch über 500 Ausbildungscoachs im Mandat. „Das sind alles Leute aus der Praxis”, sagt Thomas Stocker. Mitarbeitende von Werkhöfen, die in Sursee Weiterbildungstage besuchen, profitieren von überaus praxisnahen Unterrichtslektionen, weil die Dozierenden aus der Praxis kommen. Am Campus lehren unter anderem auch die Verantwortlichen der Werkhöfe des Kantons Zürich und Zug. Diese praxisnahe Ausbildungsform ist unser Erfolgsrezept”, betont Stocker.
Viele Baufachleute wandern in Werkhöfe ab
Von diesem Schulbetrieb profitieren auch angehende Vorarbeiter und Poliere. Sie werden in Blocks von drei bzw. zwei Wochen mit täglich acht bis neun Lektionen ausgebildet. Dabei kommt automatisch die vorhandene Infrastruktur in der Hotellerie und Gastronomie zum Einsatz. Die Auszubildenden übernachten in modernen Hotelzimmern. „Die Zimmer verfügen auch über die nötige Infrastruktur zur Bearbeitung von Hausaufgaben.“ Diese gehören zum Schulbetrieb dazu. „Viele Baufachleute, die in Bauunternehmen arbeiten, wechseln in kantonale oder kommunale Werkhöfe.” Die Aufgaben sind oft neu. Vor allem der Strassenunterhalt stellt die Baufachleute vor neue Herausforderungen. „Da wäre es wichtig, wenn die Werkhofverantwortlichen von unserem Angebot im Verkehrswegunterhalt beispielsweise vermehrt Gebrauch machen würden und die Mitarbeiter weiterbilden lassen.”
250 Weiterbildungsangebote im Programm
An Vielfalt der Ausbildungsangebote mangelt es jedenfalls nicht. Von den aktuell 250 Weiterbildungsangeboten profitieren jährlich 20 000 Teilnehmende. In der höheren Berufsbildung werden neben Bauvorarbeitern und Polieren auch berufsorientierte Weiterbildungsmöglichkeiten im Hoch- und Tiefbau, im Verkehrswegbau sowie in den Bereichen Führung und Betriebswirtschaft angeboten. Im Strassenunterhalt werden beispielsweise im laufenden Schuljahr 2025/26 16 verschiedene Weiterbildungsmodule angeboten. Im Verkehrswegbau bietet der Campus unter anderem einen neun Tage umfassenden Lehrgang an, für Quereinsteiger ohne Fähigkeitsausweis, angehende Bauvorarbeiter im Verkehrswegbau oder Verkehrswegbauer mit EBA-Abschluss. Es gibt aber auch die umfassenden Ausbildungslehrgänge zum Bauvorarbeiter im Strassenunterhalt oder zum Baupolier im Strassenunterhalt und Gleisbau.
Die Steuergelder fliessen ungleich in die Bildung
Die Erarbeitung der verschiedenen Aus- und Weiterbildungsmodule verlangt eine sorgfältige Abstimmung mit dem gesamten Dienstleistungsangebot des Campus. Dabei sind auch die künftigen Herausforderungen im Bildungswesen zu berücksichtigen, etwa die rasch voranschreitende Digitalisierung. Jüngstes Beispiel: Vor drei Jahren eröffnete der Campus ein BIM-Labor (Building Information Modeling) und damit ein Angebot, das als Schule und Weiterbildungsstätte europaweit einzigartig ist.
Vorausschauen ist in Sursee Programm: „Derzeit”, so Geschäftsführer Bildung Thomas Stocker, „planen wir bereits das Schuljahr 2030/31.”
Thomas Stocker hofft nicht nur auf noch mehr Resonanz aus der Branche, sondern auch auf eine ausgewogenere Verteilung der Bildungsgelder, die der Staat bzw. die Steuerzahler jährlich aufwenden. Der von Thomas Stocker aufgestellte Vergleich ist beeindruckend. So fliessen im Jahr 5 Milliarden Franken in die universitäre Ausbildung, in die höhere Berufsausbildung hingegen nur 0,1 Milliarden – das ist 50-mal weniger. „Unter dem Strich”, betont Stocker, „schliessen in etwa gleich viele Männer und Frauen ihre Ausbildung in beiden Bereichen ab.” Es dürfte nicht nur seine Meinung sein, dass dem einzigartigen dualen Bildungssystem in der Schweiz nach wie vor leider zu wenig Bedeutung zukommt. Ein Lichtblick eröffnet sich mit den Bestrebungen des Kantons Luzern, der eine Strategie entwickeln will, die die Zusammenarbeit der höheren Berufsbildung mit der Hochschulausbildung anstrebt. „Das wäre auch ein wichtiges Zeichen für alle anderen Kantone.”
Ein nie ruhende Betriebsamkeit
Wenn Direktorin Andrea Ming von einem Jahr spricht, dann meint sie die auf 365 Tage ausgelegte Infrastruktur des Betriebs. Dieser riesige Betrieb kennt keine Ruhetage. Aktuell sind rund 300 Mitarbeitende in allen Sparten des Campus beschäftigt. In dieser beschaulichen und ruhigen Umgebung, unweit der Stadt Sursee, gastieren auch „nur” Reisegruppen, die hier übernachten und das Gastronomieangebot des Restaurants „Baulüüt” nutzen. Oder Sportvereine sowie Spitzenathletinnen und -athleten, die am Wochenende ein Trainingslager besuchen. Oder, wie erst vor einigen Wochen, als der gesamte Tour-de-Suisse-Tross für zwei Tage einige Teile des Campus in Anspruch nahm. „Das Echo der Tourleitung war dabei einhellig. Sie finden während der Tourdauer gewöhnlich nie einen Etappenort, der den ganzen Tross zu beherbergen vermag.”
Ähnlich tönt es auch von grossen Seminar- oder Versammlungsveranstaltern, die ebenfalls zu einer hohen Auslastung der Infrastruktur beitragen. Selbstverständlich schätzen sie auch die grosse Eventhalle, die bis zu 1 000 Personen fasst. Veranstaltungen finden vor allem an den Wochenenden statt, was zu einer besseren Auslastung dieser Tage führt. „Während der Woche sind unsere 550 Zimmer vor allem durch die Ausbildung voll belegt. Viel Freiraum haben wir von Freitag bis Montag und während der Schulferien.” Fallen allerdings Veranstaltungen mit Ausbildungstagen zusammen, muss die Campusleitung externe Übernachtungsmöglichkeiten anmieten.
An Herausforderungen wird es auch künftig nicht fehlen, weiss Direktorin Andrea Ming. „Unsere Stärke ist die Gesamtplanung dieser Stätte. Sie ist eine ständige Herausforderung, zumal Verbindlichkeiten immer kurzfristiger werden.” Auch wenn die Angebote dieser grossen Ausbildungsstätte rasch an Bedeutung gewonnen haben, möchte man sich immer wieder auf den Ursprung besinnen. „Wir sind ein Ausbildungscampus und legen deshalb den Fokus wieder vermehrt auf diesen ursprünglichen Stiftungszweck”, sagt Andrea Ming.
Der Campus im Zeitraffer 1964 In einer Sitzung des Baumeisterverbandes entsteht eine visionäre Idee eines gesamtschweizerischen Bau- und Ausbildungszentrums. 1966 Die Stiftung Ausbildungszentrum wird geschaffen. 1972 Zum 75-Jahr-Jubiäum des Baumeisterverbandes werden die neuen Gebäude des Ausbildungszentrums SBV eingeweiht. Gestartet wird mit 20 Ausbildungen für Bauhandwerker des Hoch- und Tiefbaus. 1974 Übergabe des HG-Hauses (ein Geschenk der heutigen HG Commerciale Handelsgenossenschaft HCG) mit drei Funktionsbereichen: Unterricht, Unterkunft, Gemeinschaftsräume. 1993 Eröffnung der Unternehmerschule. 1995 Die Bauführerschule und Technikerschule TS für Bauführer wird eröffnet. 2000 Aufstockung des HCG-Hauses mit 345 IT-vernetzten Arbeitsplätzen. 2004 Der Stiftungsrat entscheidet sich für die organisatorische und bauliche Erneuerung des Campus. 2006 Der Campus Sursee entsteht in seiner heutigen Form als Seminar- und Tagungszentrums unter dem neuen Claim: «Lernen/Leben/Erleben». 2013 Das Grill-Restaurant «Baulüüt» wird eröffnet. Vier Monate später werden die 125 neuen Einzelzimmer und 19 Premium-Doppelzimmer in einem der zwei Hotelgebäude eröffnet. 2014 Auditierung mit dem ISO-Zertifikat der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme (SQS). Im gleichen Jahr zeichnet Schweiz Tourismus den Campus mit der QQQ-Urkunde aus, dem höchsten Qualitätslabel in der Tourismusindustrie. 2015 Die neue Ausbildungsarena für Kranführer und Maschinisten wird eröffnet. Das Gebäude 23 umfasst acht Schulzimmer, verschiedene Büros, Garderoben, eine Werkstatt und drei Übungshallen. Die Ausbildungsarena ist die modernste Ausbildungsanlage für Baumaschinenführer- und für Absturzsicherungs-Ausbildungen europaweit. 2017 Zum ersten Mal wird die Ertragsgrenze von 40 Millionen Franken geknackt. 2019 Eröffnung der Sportarena, die das grösste Schwimm- und Sportzentrum der Zentralschweiz wird. Das Bundesamt für Energie vergibt dem Campus Sursee das Label «2000-Watt-Areal». 2022 Feierlichkeiten zum 50-Jahr-Jubiläum des Campus Sursee mit 12 000 Besucherinnen und Besucher. Im gleichen Jahr wird die multifunktionelle Eventhalle mit einem Fassungsvermögen von 1000 Gästen eröffnet. Mit der Lancierung des BIM-Labors (Building Information Modeling) geht der Campus Sursee als erste Schule und Weiterbildungsstätte einen Weg, der europaweit einzigartig ist. 2023
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